Bestimmt unsere KörperSPRACHE unser Sexleben? Teil 1: Körperteile

Vulvina Scheide Schamlippen Venuslippen
Hast du dich schon mal gefragt, was Scheide, Vagina, Schamhaare, Jungfernhäutchen, Klitoris EIGENTLICH bedeuten? Gibt es auch schönere Wörter?

Ist Geschlechtsverkehr etwas Schlechtes? Musst du dich schämen für deinen Körper, weil du Schamhaare hast? Welches Gefühl hast du bei der Wortbedeutung von Scheide? Inwieweit beeinflussen die Bezeichnungen unserer Lustorgane unser Sexleben und unsere Körperwahrnehmung? Können eine wertschätzende und angemessene Wortauslese, die aktuellen Tabus brechen und eine positive Einstellung zu unserem Körper ermöglichen? Ich werde mir die gängigen Begriffe nun genauer ansehen und versuchen neue, passendere Wörter zu finden. Alle Mitlesenden sind herzlich dazu einladen, auch wunderschöne Neuwortschöpfungen für unsere KörperSPRACHE zu kreieren, die Freude und Lust am eigenen und anderen Körper*n machen!

Wundersame KörperSPRACHE

Über einige Wörter lässt sich wahrscheinlich diskutieren, aber bei vielen Begriffen, die gerade für unsere intimen Körperregionen festgelegt wurden und millionenfach in Büchern abgedruckt stehen, lässt sich doch sehr wundern…

Geschlecht / Geschlechtsverkehr / Geschlechtsorgane → ODER lieber: Besondere Intimmerkmale / Liebesvereinigung / Lustorgane

Alle Wörter, die das Teilwort Geschlecht enthalten, haben den Wortstamm „schlecht“ in sich, auch wenn die Wortherkunft nicht unbedingt von dem Wort „schlecht“ kommt. Unterbewusst kann ich mir aber gut vorstellen, dass viele ungewollt an etwas Schlechtes denken bei den Wörtern Geschlecht, Geschlechtsverkehr, Geschlechtsorgane. Wirklich sinnvoll scheint mir diese Bezeichnung wirklich nicht. Es kommt eventuell zum inneren Widerspruch. Was ist denn daran schlecht? Wenn sich Menschen während einer Liebesvereinigung aufgeschlossen und freiwillig unter anderem ihren Lustorganen widmen, sehe ich daran nur Gutes. Was wäre, wenn es schon immer das Gegut, der Gutverkehr und die Gutorgane geheißen hätte? Hört sich gleich viel freundlicher an, oder? Welche Wörter benutzt du so?

Scheide / Vagina → ODER lieber: Vulva / Vulvina / Yoni

OhOhOh, bei dem Wort Scheide kommen direkt unangenehme Erinnerungen aus meinem Sexualkundeunterricht wieder hoch – zum Glück haben sie es nicht Geschlechtskundeunterricht genannt 😉 . Ich weiß nicht, ob es nur an dem Wort Scheide liegt oder WIE darüber gesprochen wird und in welchen Situationen das Wort in Szene gesetzt wird? Eine Tatsache ist jedoch, dass oft die Scheide (lat. = Vagina) gleichgesetzt wird mit der gesamten weiblichen Intimzone. Das ist leider absolut NICHT korrekt! Denn die Scheide oder Vagina meint NUR den inneren Bereich vom Eingang bis zum Muttermund. Dazu kommt noch, dass das Wort Scheide eigentlich vom Ursprung her von Schwertscheide abgeleitet ist. Ich finde das suggeriert ja schon einiges und reduziert diesen so besonderen und einzigartigen Bereich völlig auf eine Möglichkeit von vielen. Das Wort wird also dem Wert nicht gerecht, ist wenig wertschätzend und ist in diesem Fall nicht zeitgemäß, da es aus der Ritterzeit stammt. Es gibt so viel schönere Wörter dafür und vielleicht erfindet ja ein Mensch noch ein schöneres Wort, wer weiß? Auf YouTube ist ein tolles Beispiel dafür das Video von der Vulvina, welches die äußeren (Vulva) und inneren (Vagina) weiblichen Lustbereiche als eine Gesamtheit bezeichnet. Einen Schritt weiter gehen indische Bezeichnungen aus dem Tantrismus, die z. B. die Yoni – auch ein schönes Wort, finde ich – als Einheit von äußere, innere Lustbereiche, den Muttermund, die Gebärmutter mit Eierstöcken und Eileitern betrachten.

Penis / Glied / Pullermann → ODER lieber: Phallus / Lingam

Interessant wird es auch beim sogenannten Penis, Glied oder bei Kindern auch gerne Pullermann bezeichnet. So richtig wohl ist mir bei diesen Wörtern nicht, um ehrlich zu sein. Der Wortklang und -sinn ist für mich wenig wertschätzend, zu neutral und teilweise unvollständig oder unangemessen. Ist der Sinn von dem Intimbereich eines Kindes NUR das Pullern? Gleichzeitig gibt das Wort Pullermann dem ganzen noch eine Personifizierung als Mann. Ob das sinnvoll ist, möchte ich jetzt mal bezweifeln. Für mich war Penis bis jetzt immer noch die sinnvollste Variante. Auch wenn ich das Wort an sich nicht besonders schön finde – so fällt mir jedoch auch kein tolleres ein, für die Penisse von kleinen Menschenkindern. Bei den größeren Menschen eignet sich meiner Meinung nach auch Phallus und Lingam aus dem indischen Tantrismus. Vom Wortklang her finde ich es schön und etwas mystisch oder bezaubernd. Schade finde ich, dass es scheinbar reduziert ist auf den Penis – was ist denn mit dem Hodensack? Wieso gibt es da kein Gesamtwort für Penis & Hodensack? Ok, ich glaube es gibt sogar eins: Gemächt – was auch wiederum ungeeignet ist, denn das Wort kommt von Macht und finde ich bei diesem Begriff unpassend und nicht zeitgemäß. Glied ist auch ein komisches Wort oder? Erinnert mich irgendwie an Gliedmaßen und nicht an ein besonderes Lustorgan.

Schamhaare / Schambein → ODER lieber: Venushaare / Venusknochen

Das Wort Schamhaare ist, glaube ich, der ultimative Beweis dafür, dass irgendwann einmal sich Menschen für ihre Lustorgane geschämt haben oder viel schlimmer noch, dass ein übergeordnetes System mit Absicht dafür gesorgt hat! Wie auch immer die Hintergründe sein mögen – wenn ich mir die Tierwelt ansehe und mein dreijähriges Kind, scheint diese Art von Scham keinesfalls angeboren zu sein. Dieses Wort ist wirklich längst überholt und nie wirklich förderlich gewesen für eine positive Wahrnehmung des eigenen Körpers oder siehst du das anders? Ich finde Venushaare viel schöner und passender. Abgeleitet vom Venusknochen (eh. Schambein) und Venushügel ist es doch nur logisch, es auch Venusbehaarung und Venushaare zu nennen.

Große und kleine Schamlippen → ODER lieber: äußeren und inneren Venuslippen

An der totalen Fehlbezeichnung große und kleine Schamlippen, lässt sich zusätzlich noch erkennen, dass es beim weiblichen Körper noch radikaler umgesetzt wurde. Nein, die Schamhaare reichen nicht aus! Es müssen noch die kleinen Schamlippen und die großen Schamlippen daher kommen und ALLES DA UNTEN verstecken, um wortwörtlich sich nicht vor den eigenen Köperteilen schämen zu müssen. Übrigens sind kleine und große in diesem Zusammenhang ebenfalls ungeeignet wenn nicht sogar grob fahrlässig! Es gibt immer mehr steigende Zahlen von Intimoperationen, die auf Wunsch die „zu großen“ kleinen Schamlippen verkleinern, vermutlich nur aufgrund der Nichtübereinstimmung des Größenverhältnis mit der gängigen Bezeichnung! Das ist doch verrückt! Liebe Frauen, es ist total normal, wenn die inneren Venuslippen größer oder länger sind als die äußeren – das kommt sogar sehr häufig vor. Drum frage ich mich erst recht, wie es zu diesen unlogischen und verwirrenden Bezeichnungen kam? Zum Glück gibt es auch für diese Wörter eine super tolle neue Variante: die äußeren und inneren Venuslippen! 😀

Jungfernhäutchen → ODER lieber: Vulvinahäutchen

Auch das Jungfernhäutchen ist leider völlig fehlbezeichnet, finde ich. Es suggeriert, dass dieses sogenannte Häutchen nur vorhanden ist, wenn eine Frau noch keinen Sex hatte. Ich vermute mal, dass die Namensgebung von einer Religion eingeführt ( 😉 ) wurde, die keinen Sex vor der Ehe erlaubt. Das sehe ich ziemlich kritisch, denn es gibt einige Bericht darüber, wie manche Frauen sich ihr Vulvinahäutchen rekonstruieren lassen, nur um in der Hochzeitsnacht den blutfleckartigen Beweis auf dem weißen Laken der Verwandtschaft zeigen zu können! Das finde ich schon sehr bedenklich. Zumal es viele Frauen gibt, bei denen das Vulvinahäutchen schon beim Sport machen, Menstruationstasse benutzen, Sexspielzeugbenutzung usw. abhanden gekommen ist. Oder manche hatten es von vornherein gar nicht. Was ist nur los in unser Gesellschaft? Ich frage mich, ob es sinnvoll ist, für so etwas überhaupt einen Namen zu geben, wenn es solche Ausmaße angenommen hat?

Klitoris → ODER lieber: Vouná (griech. „Gebirge“)

Allgemein finde ich die Bezeichnung Klitoris hört sich eigentlich schön an und ich habe damit auch bis jetzt nichts Negatives damit verbunden. Als ich jedoch die Wortherkunft recherchierte, war ich doch etwas verwundert. Klar es ist ein altes Wort und demzufolge nicht auf dem neusten Stand. Klitoris kommt aus dem Griechischen (kleitoris) und bedeutet „kleiner Hügel“. Hmm, nun wurde aber längst herausgefunden, dass es eben nicht nur eine kleine Perle ist, die der Besitzerin Lust verschafft. Vielmehr ist es ein großes Gebirge, das sich unterirdisch mit allen Teilen der Yoni vernetzt hat und die Perle ist nur die kleine Spitze des Eisbergs! Aber wie könnte das unterirdische Gebirge dann heißen? Ich schlage vor, beim Griechischen zu bleiben: Denn Vouna passt auch wieder wunderschön zu Vulvina, oder? 😀

FAZIT

Die unterbewusste Suggestion in so manchen Wörtern ist glaube ich stärker als wir es uns vorstellen können in uns allen verankert (worden). Es ist ja schon schlimm genug, dass unsere Sprache uns suggeriert, wir hätten da etwas, wofür wir uns schämen müssten. Diese sinnfreien mittelalterlichen Wörter stehen zudem noch heute überall in Anatomie-/Biologie-/Aufklärungsbüchern, in Zeitschriften usw. (Fast) alle führen diese Tradition weiter. Warum eigentlich? Ich werde nun achtsamer mit meiner KörperSPRACHE umgehen und die neu gewählten Wörter benutzen, vor allem hier beim Bloggen und YouTuben, aber auch in Gesprächen mit meinem kleinen Kind, das jetzt schon mit drei Jahren das Wort Vulvina liebt. Nur so, kann sich die Sprache verändern – indem sie nach außen hin offen verwendet wird! Viel schlimmer als diese Fehlformulierungen ist jedoch, dass es Bereiche der weiblichen Lustzonen gibt, die in den besagten Printmedien komplett totgeschwiegen werden und in Anatomiezeichnungen schlicht und einfach gar nicht existieren! Wusstest du, dass es eine weibliche Prostata gibt, die verantwortlich für die weibliche Ejakulation ist? Wusstest du, dass die Klitoris eigentlich nur der kleine sichtbare Teil von einem großen Nervenkomplex ist? Wenn ja, dann hast du das aber bestimmt nicht in der Schule gelernt oder? Ich habe dieses Wissen teilweise aus dem Buch  „Frauenkörper neu gesehen“, in dem erstmals die Klitoris und dessen weiterführenden Teile als Zeichnungen dargestellt sind – im erregten und nicht erregtem Zustand. Bis jetzt ist es das einzige Buch, in dem das so gezeigt wird, aber immerhin ist es ein Anfang! In dem Sinne würde ich definitiv sagen, dass unsere KörperSPRACHE unser Sexleben bestimmt. Also lasst uns gemeinsam etwas verändern!

Ich wünsche dir eine wunderschöne Zeit mit deinem wundervollen Körper…

Alles Liebe ❤ ✿ ❤

Deine Anne

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{ 4 comments… add one }
  • Elisabeth
    29. August 2017, 20:56

    Hejhej,
    auch ich danke für den Artikel! Das Thema der Namen für die schönen Körperdinge treibt mich schon seit vielen Jahren um. Mir gefällt schon immer gut das Wort „Möse“. Es klingt weich und geheimnisvoll. Und es reimt sich auf „böse“! Das zeigt, dass eine Möse nicht immer nur weich und zart und nett sein muss, sie kann auch schlechte Laune haben und dann sogar eventuell Zähne zeigen..!
    Der Himmel hat mir ein kleines Mädchen geschenkt, das hat entsprechend ein „Möschen“ – das verstehen alle.
    Erwähnung finden sollte in diesem Zusammenhang noch das Unsägliche Wort „Brustwarze“. Nicht viel schöner ist „Nippel“. Ich nenne es „Himbeere“! 😉
    Herzlichst, Elisabeth

  • Bettina
    25. September 2016, 11:35

    Hallo, danke für den schönen Artikel. Ich pflichte dir absolut bei, was die Auswirkungen der Sprache auf unser Unterbewusstsein betrifft. Ich habe gerade eine Ausbildung in ganzheitlicher Herangehensweise an Psyche und Körper hinter mir (im sogenannten Sit-System). Da wird von 12 Bereichen, die voneinander abhängig sind und sich gegenseitig beeinflussen und die es immer irgendwie zu berücksichtigen gilt, die Sprache und genau solche Unbewussten Wirkungen von ihr sogar als der wichtigste Bereich angesehen, denn wenn ich ein Trauma in allen anderen 11 Bereichen bearbeite, aber die Sprache – also im Prinzip die Zuordnung von Werten zu Wörtern – weiterhin verdreht ist, dann kommt es immer wieder. So haben wir es zumindest gelernt und ich kann mir das gut vorstellen. Man lernt, dass man sich nicht schämen braucht, sagt aber immer wieder Schambein oder so … Auf jeden Fall hatte ich in dem Zusammenhang über die Bezeichnung der Gutteile 😉 noch nie nachgedacht. Das hat mir die Augen geöffnet.

  • Anna
    5. April 2016, 05:03

    Liebe Anne,

    Vielen Dank für den Artikel und die schönen Worte.

    Auch mich beschäftigt dieses Thema schon seit längerem und ich und mein Partner versuchen, hier einen Umgang mit unserer Sprache zu finden, der wertschätzend und liebevoll ist. (neben Yoni liebe ich übrigens auch das Wort Punani – das kommt aus dem Hawaiianischen und heißt so was wie göttliche oder wunderbare Blume.)

    Nun wird bald ein neuer kleiner Mensch zu uns stoßen und das hat die Frage nach der Sprache über den eigenen Körper wieder stärker aufleben lassen. Mein Kind soll seinen Körper kennen und schätzen und dazu gehört für mich selbstverständlich, alle Körperteile benennen zu können. Dabei wünsche auch ich mir, wie gesagt, ein schöneres Vokabular, als meist verwendet wird.

    Als mein Partner und ich uns dazu ausgetauscht ausgetauscht haben, fiel uns jedoch auch auf, dass es uns eben auch wichtig wäre, dass unser Kind auch außerhalb der eigenen Familie verstanden wird. Wir wollen auch nicht, dass es gegebenenfalls (womöglich herablassend) korrigiert wird oder dass es das Gefühl bekommt, bei uns würde etwas versteckt – wo doch unser Ziel das genaue Gegenteil ist.

    Hast du dazu ein paar Gedanken? Und vielleicht Erfahrungen, wie das mit deiner Tochter ist?

    • Anne Zietmann
      5. April 2016, 12:06

      Liebe Anna, vielen Dank für deinen Kommentar. Wir haben (bisher) keine Tochter ?. Punani hört sich auch sehr schön an. Ja ich glaube da kann ich mal einen extra Beitrag zu schreiben. Interessante Frage. Denke, dass deshalb so eindeutigere Wortspiele geeigneter sind, damit andere sie auch gleich verstehen. Bisher hatten wir die Situation noch nicht. Es fällt zwar auch öfter das Wort Vulvina, weil er es eben so mag. Aber das Umfeld weiß gar nicht was er meint und geht da nicht drauf ein ?.

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