Paragliding als Geburtsvorbereitung für Männer? Kann ein Flug in 400 Meter Höhe einem die Angst vor der Geburt nehmen? Antworten und Video vom Flug u.v.m. hier
Meine Freundin ist jetzt in der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) und ich habe schon ein wenig Angst vor der Geburt. Ja, auch Männer können Angst vor der Geburt haben. Als Mann – der immer gern alles unter Kontrolle hat – ist die Vorstellung, in einer Situation passiver Zuschauer zu sein und nichts beeinflussen zu können, schon schwierig. Zudem habe ich, wie auch viele Frauen, Angst vor dem Unerwarteten. Ich frage mich, wie ich mich auf etwas vorbereiten soll, dass ich nicht kenne.
Und genau an dieser Stelle, kommt das Paragliding ins Spiel. Auf den ersten Blick hat Paragliding nichts mit der Geburtsvorbereitung für Männer zu tun. Auf den zweiten Blick kann man unglaublich viele Zusammenhänge zwischen einen Paraglidingflug und einer Geburt ausmachen:
1. Eine unbekannte Situation
Viele Männer sind noch nicht in der Luft gegleitet, ebenso waren viele werdende Väter noch nie bei einer Geburt dabei. Im Geburtsvorbereitungskurs habe ich gelernt, dass jede Geburt anders verläuft. Ebenso verläuft jeder Flug aufgrund der Windlage etwas anders. Somit sehe ich das Paragliding als gute Geburtsvorbereitung für Männer auf die unbekannte Situation der Geburt.
2. Eine Situation mit einem Begleiter
Bei der Geburt sind es die Hebammen, die der künftigen Mutter und dem Vater hilfreich zur Seite stehen. Beim Paragliding ist es der Fluglehrer, der einem auf dem Tandemflug begleitet. Da ich bei einem Tandemflug eher passiv mitfliege, kann ich in dieser Situation auch nichts beeinflussen. Ganz ähnlich muss die Situation für viele Männer bei der Geburt sein. Somit sehe ich den Paragliding Flug als gute Geburtsvorbereitung für Männer, da man sich auf diesen passiven Kontrollverlust vorbereiten kann.
3. Die Angst vor dem Unerwarteten
Als ich im Internet las, dass ich in wenigen Sekunden von 0 auf 400 m Höhe an einem Seil hoch gezogen werde – war mir sofort aufgrund meiner Höhenangst extrem übel. Ich hatte offen gesagt große Angst. Ich wusste nicht, wie ich mich in dieser Situation fühlen werde. Ähnlich ergeht es sicher vielen Frauen und Männern vor der Geburt.
4. Unklare Terminplanung
Einen Paragliding Flug kann man nicht planen. Nur bei gutem Wetter und wenn alle Zeit haben, kann man einen Paragliding Flug machen. Meist erfährt man erst ein paar Stunden vor dem Flug, ob er wirklich stattfinden kann. Ebenso wie der Flug ist der Geburtstermin nicht planbar. Das Baby kommt, wenn es kommt. Bis heute können die Mediziner ebenso gut den Geburtstermin, wie die Meterologen das Wetter vorhersagen. Aus diesem Grund muss man für das Paragliding, ebenso wie für die Geburt, Zeit einplanen und immer vorbereitet sein.
5. Notfallkoffer
Im Kurs zur Geburtsvorbereitung für Männer und Frauen lernte ich, dass es vor der Geburt sinnvoll ist, einen Koffer mit allen wichtigen Sachen, wie Mutterpass, Bademantel, Hausschuhe etc., für die Entbindung zu packen. Ähnlich muss man für einen Paragliding Flug warme Kleidung und feste Schuhe einpacken, um in der Höhe nicht zu frieren und beim Start sowie der Landung genug Halt zu haben.
Ironie oder Schicksal – Wie es zum Paragliding Flug kam
Ironischerweise bekam ich am selben Tag an dem ich meinen Eltern und Freunden sagte, dass meine Freundin schwanger ist, einen Paragliding Gutschein für einen Tandemflug geschenkt. Meine Freundin war zu diesem Zeitpunkt in der 10. SSW. Ich dachte damals noch nicht daran, dass mir der Paragliding Flug zur Geburtsvorbereitung dienen könnte. Erst viele Monate später sollte ich die wahre Bedeutung meines Geschenks erkennen, aber dazu später mehr. Wetter und Terminplanung trafen an einem Sonntag gegen 11.00 Uhr zusammen. Als der Termin fest stand, musste ich mich erstmal auf die Toilette begeben, um meiner Angst Ausdruck zu verleihen.
Die Horrornacht – noch 12 Stunden bis zum Flug
Ganz ehrlich – ich hatte extremen Schiss im doppelten Sinne und habe in der Nacht vor dem Paragliding Flug kaum ein Auge zu gemacht. Und ich weiß nicht, wie oft ich in dieser Nacht zur Toilette gegangen bin. Ich musste ständig daran denken, wie ich mich auf dem letzten Weihnachtsmarktbesuch nach dem Karusellfahren übergeben musste. Oder wie ich die Landung des Flugzeugs von meiner Rückreise aus Djerba mit einer Tüte vor’m Gesicht verbrachte. Und – ach ja – hab ich schon meine Höhenangst erwähnt. Ich glaube, dass ich ohne zu übertreiben behaupten kann, mindestens genauso viel Angst vor meinem Paragliding Flug gehabt zu haben, wie manche Frauen vor der Geburt. Erst gegen 6.00 Uhr morgens fielen mir die Augen zu. Ich träumte, wie ich an einem Seil 400 Meter in die Höhe gezogen wurde. Auf einmal reißt der Schirm und mein Flugbegleiter und ich stürzen in die Tiefe. Daraufhin wachte ich schweißgebadet auf. Gegen 7.00 Uhr fielen mir wieder die Augen zu, diesmal träumte ich, wie ich mir bei der Landung beide Beine brach. Mit großen Augenringen trat ich gegen 9.30 Uhr gemeinsam mit meiner Freundin meine Reise zu dem Ort an, an dem ich das Unmögliche wagen sollte.
Die Ankunft – noch 30 Minuten bis zum Flug
Ich stieg auf dem Zielbahnhof aus. Mein Freund, der mir den Paragliding Gutschein geschenkt hat, stand lachend da und wollte mich mit dem Auto zum Flugplatz schaffen. Mein Herz raste – mein Freund scherzte: „Und wie fühlt man sich kurz vor dem Ende?” Innerlich hätte ich meinen Freund erwürgen können, äußerlich bemühte mich meine Mundwinkel zu einem Lächeln zu formen. Ich hatte meinen Notfallkoffer mit warmer Kleidung und festem Schuhwerk dabei, ähnlich wie eine Frau vor der Geburt. Ich sagte zu mir, wenn du das heute überstehst – dann wird die Geburt deiner Freundin ein Klacks. Auf dem Flugplatz angekommen, musste ich erstmal in die Büsche. Die Anspannung sollte bis kurz vor dem Flug nicht nachlassen.
Der Paragliding Flug – zwischen Abenteuer und Angst
Der Fluglehrer signalisierte mir, dass ich in 5 Minuten fliegen konnte. Meine Adern pulsierten – ich atmete wie im Geburtsvorbereitungskurs auf „A“ aus und versuchte mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Danach zog ich meine Kleidung an, schnallte mir die Paragliding Ausrüstung um und setze meinen Helm auf. Nun wurde es ernst. Der Fluglehrer gab mir ein Zeichen, dass ich zu ihm kommen sollte. Er befestige das Seil und vergurtete mich mit dem Gleitschirm. Er sagte: „Wir bekommen jetzt noch ein Signal sobald das Seil straff ist und dann musst du laufen was das Zeug hält.”
Start mit Sprint wie Usain Bolt
Ich lief nach dem Startsignal wie Usain Bolt auf 100 Meter. In wenigen Sekunden waren wir mehrere 100 Meter hoch. Entgegen meiner Erwartung war das Gefühl des Hochziehens sehr angenehm. Als wir oben waren bestaunte ich den wunderschönen Ausblick. Meine Freunde waren zu kleinen Punkten geworden. Als wir schließlich oben waren, löste der Fluglehrer das Seil und zeigte mir die Gegend. Zu meiner Linken war ein großes Waldgebiet mit tausenden von grünen Bäumen, zu meiner Rechten eine kleine Stadt mit Häusern und unter mir war ein großer Solarpark, den ich in diesem Moment bewunderte. Und das Gefühl – es war einfach viel viel besser als ich erwartet hatte! Ich fühlte mich frei wie ein Vogel. Langsam verloren wir wieder an Höhe und nach etwa 10 Minuten sollte ich dann wieder auf der Erde landen. Bei der Landung wäre ich fast mit meiner schwangeren Freundin zusammengeprallt, die den Flug filmte.
Das Fazit
Meiner Meinung nach ist ein Paragliding Flug eine sehr gute Geburtsvorbereitung für Männer und eine sehr gute Ergänzung zum Geburtsvorbereitungskurs. Klar lernt man in den Kursen wichtige Grundlagen über Geburt, Wochenbett, Stillen usw., aber die Angst vor dem Unerwarteten, die hat mir nicht der Kurs sondern der Paragliding Flug genommen. In 400 Meter Höhe wurde mir klar, dass es in einer unbekannten Situation am besten ist, den Gedanken freien Lauf zu lassen und es einfach geschehen zu lassen. Nicht umsonst heißt die größte Weisheit der Geburt:
„Bei der Geburt, muss man viel wissen, um nichts zu tun.”
Beherzigt man diese Weisheit, dann kann die neue Erfahrung sogar Spaß machen und zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Ich fühle mich jetzt besser auf die Geburt meiner Freundin vorbereitet und werde ihr ganz sicher ein guter Begleiter sein. Wenn ich meine Angst vor dem Fliegen überwinden konnte, dann schaffst du es ganz sicher auch deine Angst vor der Geburt zu überwinden.
Ich möchte meinem Freund auf diesem Weg für den Paragliding Flug und diese außergewöhnliche Erfahrung danken. Falls dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über eine Verlinkung oder ein Like in einem bekannten sozialen Netzwerk.
Wir lesen uns
Marcus Krahlisch