Interview mit der ungarischen Autorin Anett Breczko über ihren langen Weg zum ersten natürlichen Wunschkind und über die Irrwege der Reproduktionsmedizin.
Du gibst in deinem Buch an, dass du Kinder als Teenager gehasst hast. Warum hat sich bei dir dennoch ein so starker Kinderwunsch entwickelt? Was hat deine Meinung verändert?
A.B. Ja, „hassen“ ist vielleicht ein bisschen übertrieben, ich konnte einfach als Jugendliche noch nichts mit Kindern anfangen. Mit 19 habe ich dann in einer Schule gearbeitet, und da habe ich es sehr genossen, mich mit Kindern zu beschäftigen. Die Arbeit mit den Kindern hat mich verändert – mit der Zeit konnte ich mir vorstellen, selbst irgendwann Kinder zu bekommen.
Deine Kinderwunschplanung startet mit dem 27. Lebensjahr nach Absetzen der Pille. Anfangs hast du auf natürlichem Weg mit der Temperaturmethode probiert, schwanger zu werden. Warum hast du schon nach 2 Zyklen aufgegeben, die Temperaturmethode anzuwenden?
A.B. Ich kannte meinen Körper gar nicht. Ich habe ja von meinem 19. bis zu meinem 27. Lebensjahr die Pille genommen, so hatte ich auch keine Gelegenheit, den natürlichen Zyklus meines Körpers kennenzulernen. Ich habe es mir einfach nicht zugetraut, dass ich meinen Körper richtig einschätzen könnte, dass ich die Zeichen erkennen könnte. Ich dachte, die Schulmedizin kann es viel besser, als ich. Was für ein Irrtum!
Etwa nach einem halben Jahr hast du mit Hormontherapie begonnen. Welche Nebenwirkungen hast du gehabt und wie hast du Dich dabei gefühlt?
hatte. Ich hatte ja zur Zeit der Behandlungen auch keine schlimmen Nebenwirkungen. Ob es ein nachhaltiges Risiko gibt? Darüber findet man als Laie erstaunlich wenig Informationen, denke ich.
Du beschreibst in deinem Buch mehrfach, dass du jedes Mal geweint hast als deine Menstruation kam und es für dich grauenhaft war, deine Freundinnen schwanger zu sehen. Hattest du therapeutische Hilfe und was hat sie dir gebracht?
A.B. Ich fand es wirklich grauenhaft, ich dachte, alle wären glücklich, nur ich nicht – alle bekommen ja Kinder, sogar die, die gar keine Kinder wollten… Ich wusste: Diese Zeit werde ich nie vergessen. Diese Lebensphase war wirklich prägend für mich. Auf der einen Seite waren das meine schwierigsten Jahre. Auf der anderen Seite habe ich aus dieser Erfahrung sehr viel über mich und die anderen gelernt.
Ich habe damals erkannt, dass ich Hilfe brauche. Glücklicherweise fand ich einen guten Therapeuten, den ich etwa ein Jahr lang aufsuchte. Anschließend machten wir Sommerurlaub – und ich wurde schwanger! Der Therapeut hat mir eine neue Sichtweise beigebracht. Ich dachte vorher immer, ich wäre eine schwache Person, und ich erkannte plötzlich, dass ich ziemlich stark bin. Ich dachte früher, ich hätte wenig Chancen in der Arbeitswelt, und er meinte, ich sollte es doch erst einmal probieren. Heute weiß ich: Hätte ich nicht die Schwierigkeiten mit dem unerfüllten Kinderwunsch durchgemacht, so hätte ich nie die Chance gehabt, mein Leben in den Griff zu kriegen.
Wie ist dein Partner mit eurer Situation und eurem unerfülltem Kinderwunsch umgegangen?
A.B. Er hat mich voll unterstützt. Unser gemeinsames Leben mit dem unerfüllten Kinderwunsch hat uns nur noch mehr zusammengeschweißt. Anfangs hatte er nur „mitgelitten“, aber nach 2 1/2 bis 3 Jahren hat es auch ihn sehr mitgenommen und auch gestresst.
Nach der Hormontherapie hat dein Frauenarzt es mit der Insemination probiert. Warum hat der Arzt die Hormontherapie als gescheitert erklärt und wie lief die Prozedur ab?
A.B Kinderwunschbehandlungen werden heutzutage wie am Fließband gemacht. Laut Gesetz brauchte man damals 6 Inseminationen, bevor man eine Erlaubnis für eine IVF bekam. Aus diesem Grund haben wir natürlich alles dafür getan und sind den langen Weg der Insemination bis zur IVF gegangen.
Auch die IVF war erfolglos – wie war dein Gefühlszustand zu dieser Zeit – hast du noch an den Kinderwunsch geglaubt?
A.B. Ich habe meinen Kinderwunsch nie wirklich aufgeben können – tief in meinem Inneren war immer ein Funke Hoffnung. Aber nach 6 gescheiterten Inseminationen und 2 ebenso gescheiterten In Vitro Fertilisationen, ist es wirklich schwierig, optimistisch zu bleiben. Man traut sich wirklich nicht, den inneren Stimmen zu glauben. Ich konnte mir ein Leben ohne Kinder einfach nicht vorstellen, und ich habe über Adoption nachgedacht. Mein Mann war damals allerdings nicht soweit.
Letztlich bist du nach etwa 3 Jahren auf natürlichem Wege schwanger geworden. Wie kam es dazu und welche Methode hast du verwendet?
A.B. Nach der zweiten gescheiterten IVF-Behandlung machten wir in Kroatien Urlaub, zufälligerweise während der Zeit, als ich einen Eisprung hatte. Nachdem wir zurückgekommen waren, haben wir mit den Vorbereitungen für die dritte IVF angefangen, ich bekam Injektionen. Meine Periode kam nicht. Ich machte keinen Schwangerschaftstest – wozu denn? Eine Freundin meinte, ich sollte doch einen Test machen. Dann machte ich den Test, und der war positiv. Unsere Tochter ist auf der Insel Krk in meinem Bauch „eingezogen“. 🙂 Als sie 2,5 Jahre alt war, bekam sie ein Brüderchen. Auch diese Befruchtung war natürlich.
Hast du eine spezielle natürliche Methode angewandt, um im Urlaub schwanger zu werden?
Nein, das habe ich nicht. Ich hatte wohl endlich mal die Zeit zu entspannen und meinem eigenen Körper zu vertrauen. Beim zweiten Kind habe ich noch bewusster meinem Körper vertraut und wieder hat es natürlich geklappt. Allerdings habe ich auch beim zweiten Kind keine spezielle Methode angewandt. Es ist mir allerdings wichtig zu sagen, dass ich seit dieser Erfahrung mehr Bewusstsein und Vertrauen in meinen Körper habe. Dieses Vertrauen ist meiner Ansicht nach, eine der wichtigsten Dinge, die man braucht um natürlich schwanger zu werden.
Du hast über deine Geschichte das Buch „Before I Got Pregnant” (deutsch: „Bevor mein Wunschkind kam”) geschrieben. Was möchtest du mit deinem Buch erreichen?
A.B. In meiner Geschichte geht es hauptsächlich um Gefühle. Angst, Neid, Hass, Verzweiflung der Ausgeliefertheit einfach machtlos zu sein – das alles war viel viel schlimmer für mich, als die medizinischen Behandlungen selbst.
Mein Buch ist bereits 2007 in meinem Heimatland Ungarn bei einem renommierten Verlag erschienen. Ich bekam viele Leserbriefe von Frauen, denen mein Buch und meine Geschichte gefallen hat. Einmal habe ich sogar Ultraschallbilder von einer schwangeren Frau per Post Email erhalten, die meinte, dass ihr mein Buch sehr geholfen hat. Ich hoffe, dass mein Buch noch vielen weiteren Frauen helfen kann, sich selbst zu vertrauen und nicht die gleichen Fehler wie ich zu machen.
Der Frist für die Rechte meines Buches ist abgelaufen, und ich habe meine Geschichte mit dem Titel * „Before I Got Pregnant” (dt. ungefähr: Bevor mein Wunschkind kam) als englischsprachiges E-Book nochmals herausgebracht, um noch mehr Frauen an meiner Geschichte teilhaben zu lassen.
Wird dein E-Book auch in deutscher Sprache erscheinen?
Ja, die deutsche Übersetzung des Buches ist in Arbeit. Es wird allerdings noch etwas dauern bis es herauskommt – es sind ja schließlich auch 3 1/2 intensive Jahre meiner Lebensgeschichte, die es übersetzen gilt.
Kommen wir zur letzten Frage: wenn du jetzt dein Wort an alle Frauen mit unerfüllten Kinderwunsch richten könntest, was möchtest du diesen Frauen unbedingt sagen?
A.B. Oh, schwierige Frage! Ich denke nicht, dass ich mit meinem Wissen jedem/jeder helfen kann. Ich hoffe aber sehr, dass ich einigen, die ähnlich wie ich, gefühlsorientiert und sensibel sind, mit meiner Geschichte inspirieren kann. Ich habe selbst auch mit dem Bloggen angefangen und betreibe mittlerweile einen deutschen und englischen Blog, über die ich meine Geschichte verbreite und auch Leserfragen von interessieren Frauen gern beantworte.