Prof. Dr. Freundl ist heute einer der bekanntesten Wissenschaftler im Bereich der Natürlichen Familienplanung (NFP). Warum er sagt: „NFP hat es verdient, erforscht zu werden”, kannst du in unserem Interview nachlesen.
Prof. Freundl untersuchte in einem Team von engagierter Kolleginnen(-en) u.a. die Sicherheit der symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP. Die Forschungsgruppe hat auch zahlreiche Zykluscomputer wie Ladycomp, Cyclotest, PERSONA und Fertilitätsprogramme im Internet untersucht. Heute ist er einer der bekanntesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Natürlichen Familienplanung, sodass er als Experte im TV bei Jürgen Fliege, Bärbel Schäfer und Arabella Kiesbauer zu Gast war. Er besuchte zusammen mit Fr. Dr. Frank-Herrmann, Heidelberg und Dr. Baur, München den damaligen Kardinal Joseph Aloisius Ratzinger als Vorsitzenden der Gaubenskongregation im Vatikan.
Vor dieser Zeit hat er 5 Jahre medizinische Entwicklungshilfe in Nigeria, Westafrika geleistet. In diesem Interview sprechen wir mit ihm über seine Erfahrungen und über neue Perspektiven in der NFP Forschung.
Herr Freundl Sie sind heute einer der bekanntesten und bedeutendsten Wissenschafter der NFP. Wie sind Sie zur NFP gekommen?
Naja ich habe mich an der Frauenklinik der Uni Düsseldorf seit 1978 wissenschaftlich in Zusammenarbeit mit Andrologen an dieser Universität mit dem Thema „Spermatozoen – Zervikalschleim – Interaktionen“ und mit verschiedensten Themen rund um Körperzeichen und Fruchtbarkeit beschäftigt und mich auf diesem Gebiet auch habilitiert {Freundl, 1979 809 /id} {Freundl, 1980 758 /id}. Die Kirche hat meine Arbeiten verfolgt und kam eines Tages auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht vielleicht Lust hätte, Untersuchungen zu den Methoden der Natürlichen Familienplanung (NFP) wissenschaftlich zu begleiten . Mir war in diesem Moment klar, wenn ich jetzt zu sage, dass höchstwahrscheinlich meine Kontakte zu anderen Wissenschaftlern und der Industrie abreißen würden. So ist es auch wirklich gekommen, was nicht wirklich verwundert, denn NFP war damals wissenschaftlich nicht anerkannt. Allerdings fand ich auch im Hinblick auf meine ersten Forschungen zum Zervixschleim, dass es die NFP wirklich verdient hätte, mal wissenschaftlich richtig untersucht zu werden und so entschied ich mich dafür, in das Forschungsprojekt NFP einzusteigen.
Unter Ihrer Leitung wurde seit 1984 die Zyklusdatenbank des Forschungprojektes NFP aufgebaut. Wie ist man auf die Idee gekommen eine Zyklusdatenbank aufzubauen? War der Prozess einfach oder gab es Hindernisse?
Die bis 1984 gemachten Studien rund um NFP waren größtenteils retrospektiv und basierten teilweise sogar nur auf Erinnerungen der anwendenden Paare . Mit einer an den Erfordernissen einer Zyklusforschung und der natürlichen Familienplanung orientierten Datenbank sind prospektive, objektive Studien zum Zyklus und der Effektivität und Akzeptanz der NFP möglich. Alle Ärzte des NFP Forschungsprojektes waren sich einig, wenn man nachhaltige Forschung machen möchte, braucht man eine Datenbank. Wir fanden damals in einem Assistenzarzt meiner Abteilung, Dr. M. Bremme einen jungen interessierten Kollegen, der uns eine solche Datenbank mit Hilfe der übrigen Mitglieder der Forschungsgruppe, u. a. auch einem Statistiker auf dem ATARI programmieren konnte {Bremme, 1989 673 /id}. Die ersten Zyklen wurden in Papierform gesammelt und dann per Hand eingeben und von Personen auf Plausibilität kontrolliert. Das besondere dieser Datenbank war, dass wir von Anfang an zahlreiche Kontrollfunktionen eingebaut haben, die überprüfen, ob die Zyklen die wir erhalten auch vertrauenswürdig sind. Zum Beispiel wird geprüft, ob eine ungewöhnlich hohe Temperatur ohne Störung gemessen wurde usw.
Heute nutzen wir eine ACESS basierte Datenbank, bei der eine elektronische und manuelle Erfassung von Zyklen möglich ist. Zusätzlich überprüfen bis heute erfahrene Mitarbeiter die Zyklen auf Plausibilität.
Hindernisse gab es bei der Erstellung der Datenbank nicht. Es war am Anfang etwas Erklärung nötig, um die Frauen davon zu überzeugen ihre Zyklen einzureichen – aber letztlich war das kein Problem. Bis heute erklären sich viele Frauen, die eine NFP Beratung aufgesucht haben, bereit, ihre Zyklen einzureichen.
Welche interessanten Fakten kann man mithilfe der Zyklusdatenbank untersuchen?
Seit der Erstellung der Zyklusdatenbank stellen wir uns innerhalb der Forschungsgruppe NFP regelmäßig die Frage, welche spannenden Fragen zum Zyklus wir mithilfe der Datenbank untersuchen können. Zu ihnen gehören zum einen die Sicherheit der NFP Methoden, zum anderen das Sexualverhalten in der fruchtbaren Zeit, die Zyklusstörungen und Zykluskrankheiten. Mit Sicherheit ist auch die Veränderung des Zyklus von der Pubertät bis zu den Wechseljahren spannend. Hinsichtlich des Kinderwunsches sind die Bestimmung der hochfruchtbaren Zeit und die Schwangerschaftsrate interessant. Ebenso ist es mithilfe der Datenbank möglich, die Zykluscomputer in ihrer Sicherheit usw. mit der symptothermalen Methode nach den Regeln der AG NFP zu vergleichen. Bis heute finden sich immer wieder neue spannende Fragen, sodass es immer noch viel Raum für neue Forschungsarbeiten gibt.
Heute zählt die Zyklusdatenbank der Sektion Natürliche Fertilität (früher Forschungsprojekte NFP) etwa 40.000 Zyklen von ca. 2.000 Frauen und ist damit die größte NFP Zyklusdatenbank der Welt. Selbst die I. europäische Zyklusdatenbank, bei der 11 Mitgliedstaaten Daten eingaben und die damit ein weitaus größeres Einzugsgebiet hatte – kann nicht mithalten. Woran liegt es, dass wir in Deutschland die größte Zahl an gesammelten Zyklen zur symptothermalen Methode haben?
Die Hauptursache ist, dass wir dahinter stehen. Die europäische Datenbank entstand auch aus der Initiative der Forschungsgruppe NFP. Den meisten Mitgliedstaaten Europas war die Aufnahme und Datenverwaltung zu aufwendig und wurde nur etwa ein bis zwei Jahre betrieben. Aus diesem Grund ist die europäische Zyklusdatenbank nicht so groß und wird es auch künftig nicht werden. Im Gegensatz dazu wird die Zyklusdatenbank der Sektion Natürliche Fertilität in Deutschland noch heute regelmäßig mit neuen Daten aufgefüllt, da sich immer sehr engagierte Leute gefunden haben, die Zyklen einreichen, verwalten und erforschen.
Was muss man als NFP Anwenderin derzeit tun, um seine Zyklen für die Forschung bzw. der Zyklusdatenbank zur Verfügung zu stellen?
Bisher wurde eine Frau über die NFP-Berater für die Studie gewonnen. Wenn sie sich dann bereit erklärte, ihre eingesandten Zyklen (manuell oder elektronisch) unter datenrechtlich geschützten Bedingungen (richtet sich nach Vorgaben, die von der WHO international vorgeschrieben wurden , nachzulesen z. Bsp. in WMA Declaration of Helsinki – Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subject) der Datenbank zur Verfügung zu stellen kann sie mitmachen. Dazu schickt sie Kopien ihrer Zyklusblätter an unser Büro in Düsseldorf (Anschrift: NFP-Büro, z. Hd. Von Frau Heil, Sana-Krankenhaus Düsseldorf-Benrath, Urdenbacher Allee 83, 40593 Düsseldorf oder elektronisch an: Sylvia_hs57@yahoo.de))
Nachdem aber immer mehr Frauen durch Selbststudium nach den Büchern der Arbeitsgruppe NFP („Natürlich und sicher“, Trias Verlag) unsere Methode erlernen stellt sich die Frage, ob das so erworbene Wissen dem in einem Kursangebot erworbenen gleichwertig ist. Diese Frage kann man nur klären, indem man die Ergebnisse der „Selbstlerner“ mit denen der „Kurslerner“ vergleicht. Aus diesem Grunde haben wir in unserer Datenbank die Möglichkeit geschaffen, dass auch „Selbstlerner“ ihre Zyklen zur Verfügung stellen können. Nach Aufbau eines derartigen Datenpools kann man diese Frage wissenschaftlich angehen. Aus Gründen der wissenschaftlichen Vergleichbarkeit können wir nur NFP Anfängerinnen in dieser Studie berücksichtigen, die weitere bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Alle Infos zu den Teilnahmebedingungen und Hintergrundinformationen können in diesem Artikel oder auf der Homepage der Sektion nachgelesen werden.
Nach meinen Recherchen wurde 2007 mithilfe der Zyklusdatenbank die bis heute bedeutendste Studie zur Sicherheit der symptothermalen Methode herausgebracht. Was kam dabei heraus und wie schätzen Sie die Sicherheit der symptothermalen Methode im Vergleich zur Pille ein?
Die erste relevante Sicherheitsstudie wurde von uns 1991 {Frank-Herrmann P., 1991 1445 /id} publiziert, 1993 erfolgte eine weitere Auswertung {Freundl, 1993 828 /id} ; . Die Datengrundlage von 14.870 Zyklen von 758 Frauen reichte allerdings noch nicht aus, um ganz sichere Aussagen zu fällen. Aus diesem Grund haben wir 2007 eine weitere Studie {Frank-Herrmann, 2007 2829 /id} herausgebracht, die auf 17 638 Zyklen von über 900 Frauen basierte. Aufgrund der verbesserten Datengrundlage war es nun möglich, mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit zu schließen, dass die symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP – genauso sicher wie die Pille ist {Frank-Herrmann P, 2011 3263 /id}. Allerdings ist bei der symptothermalen Methode nach den Regeln der AG NFP zu sagen, dass sie nur funktioniert, wenn die Anwenderinnen dahinter stehen und motiviert sind, sich mit ihrem Zyklus bzw. der Methode wirklich auseinander zu setzen. Dies ist einer der Gründe, warum wir in dieser Studie nur Frauen betrachteten, die eine NFP Beratung besucht haben.
Warum hat ihre symptothermale Methode plötzlich einen neuen Namen bekommen?
Wie oben erwähnt haben wir für unsere Methode wissenschaftlich korrekte Zahlen z. Bsp. für die Effektivität über viele Jahre erarbeitet und publiziert. Wir mussten jetzt feststellen, dass diese Zahlen plötzlich für andere symptothermale Methoden, die sich in ihrem Regelwerk von dem unseren teilweise unterscheiden übernommen wurden. Dies ist nicht korrekt. Wir beschlossen deswegen, unserer Methode einen eigenen Namen zu geben. Diese kostspielige Aufgabe hat die NFP AG Malteser Köln dankenswerterweise übernommen. Nach einem üblichen Namensfindungsprozess hat sich schließlich der Name Sensiplan ergeben, den die Malteser, Köln haben international schützen lassen. Er steht jetzt für die symptothermale Methode der AG NFP. Auf ihn treffen die erarbeiteten Zahlen zu, neue Veröffentlichungen werden diesen Namen enthalten.
[Anmerkung der Redaktion: Sensiplan steht für die symptothermale Methode der Arbeitsgruppe NFP, die wissenschaftlich abgesichert und im Praxisbuch „Natürlich und sicher“ und im dazugehörigen Arbeitsheft beschrieben ist, und für das dazugehörige Ausbildungs- und Beratungsangebot. (Zitat U. Sottong, nfp-online.de, 2013)]
Der Wissenschaftler Grimes behauptet in seiner Veröffentlichung von 2005, dass die Sicherheit der symptothermalen Methode und anderen NFP Methoden unklar ist. Was haben Sie dem entgegen zu setzen?
Das ist interessant, dass Sie das ansprechen. Grimes hat versucht, alle bis etwa 2003 publizierten Studien zu beurteilen, hat aber an die Studien bestimmte Kriterien angelegt: zwei dieser Kriterien, die sonst an z.B. Pillenstudien angelegt wurden waren ihm besonders wichtig: die Studien sollten vergleichend sein und die Teilnehmer wurden bestimmten Gruppen zugewiesen – ohne dass sie sich für eine der Gruppen selbst entscheiden konnten. Unter diesen Voraussetzungen blieben ihm schließlich nur zwei Studien aus dem Raum Amerika und Kolumbien, die er als für seine Fragestellung relevant bezeichnete {Grimes, 2005 3313 /id} übrig. Alle anderen Beobachtungsstudien – so auch unsere eigenen – sortierte er aus. Sie waren für die Endbeurteilung der NFP-Methoden nicht relevant. Die verwendeten zwei Studien hatten aber derartige Mängel (z. Bsp. Versprechen an die Teilnehmer, dass sie eine bestimmte medizinische Behandlung bekommen, wenn sie mitmachen. Das führte zu einem extremen Verlust von Teilnehmerinnen, sodass die Endgruppe viel zu klein war), dass sie unserer Ansicht nach nichts über die Methode aussagen können.
Hinsichtlich unserer Sicherheitsstudie aus dem Jahr 2007 ist zu sagen, dass sie mit größter Sorgsamkeit durchgeführt wurde und in einem renommierten Journal (Human Reproduction) erschienen ist.
Randomisierte Studien sind für die NFP nicht sinnvoll. Der Hauptgrund warum Randomisieren in der Familienplanung nicht geht, ist weil sich wegen persönlicher Präferenzen die Teilnehmer nicht z.B. in Pille versus Spirale randomisieren lassen würden, der zweite Grund ist, dass ich aus ethischen Gründen nur randomisieren darf, wenn ich fast gleich gute Ergebnisse in allen Armen erwarte (z.B. dürfte man nicht Coitus interruptus gegen Pille randomisieren). Aber zwei ähnliche symptothermale Methoden würde gehen.
Wir halten prospektive Beobachtungsstudien in der NFP für das bessere Werkzeug für diese Fragen {Freundl, 1999 1869 /id}{Frank-Herrmann, 2007 2829 /id}.
Es gibt keine Zweifel, dass die symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP (= Sensiplan) sicher und wissenschaftlich anerkannt ist. Seit fünf Jahren sind wir Mitglied in der „Working group non-hormonal contraception“ in der European Society of Contraception and Reproductive Health (ESCRH). Im Rahmen dieser Gruppe haben wir auf internationalen Konferenzen in Athen und Kopenhagen Stellung zu Grimes genommen und sämtliche Zweifel in Forschungskreisen an der Sicherheit der symptothermalen Methode nach den Regeln der AG NFP beseitigt. Erst kürzlich (2012) wurde die symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP in eine medizinische S1 Leitlinie als zu empfehlende Familienplanungsmethode aufgenommen. Das zeigt, wie anerkannt die symptothermale Methode nach Regeln der AG NFP in der Forschung ist.
Allerdings zeigt die Veröffentlichung von Grimes deutlich, dass diese Information noch nicht bei allen Ärzten in Deutschland und Europa angekommen ist. Aus diesem Grund führen wir gemeinsam mit der AG NFP regelmäßig Fortbildung für Ärzte durch und stellen die Methode und unsere Ergebnisse auf internationalen Konferenzen vor.
Die Forschungsgruppe NFP hat unter ihrer Leitung nicht nur die Sicherheit von der symptothermalen Methode untersucht, sondern auch die der Zykluscomputer PERSONA (Freundl, Bonnar et al., 1998;Freundl, 2000) , Cyclotest (Bremme, Freundl et al., 1992) und Ladycomp (Freundl and Toncaboni, 1991;Freundl, Frank-Herrmann P. et al., 1998). Welche Vor- und Nachteile haben Zykluscomputer Ihrer Ansicht nach im Vergleich zur symptothermalen Methode nach den Regeln der AG NFP? Welcher Zykluscomputer ist hinsichtlich der Verhütung am sichersten?
Zuerst muss man hier sagen, dass Zykluscomputer entweder auf Basis der Temperaturmethode oder symptothermalen Methode programmiert sind und daher nie sicherer als diese Methoden sein können. Der Computer ist dann von Vorteil, wenn die Anwenderin sich nicht so gut mit ihrem Zyklus und den Regeln auskennt, dann kann der Computer sie in ihrer Auswertung unterstützen.
Grundsätzlich ist die Sicherheit von Zykluscomputern und der symptothermalen Methode nicht so einfach zu vergleichen. Würde zum Beispiel ein Computer sagen, dass man immer fruchtbar ist, wäre er zu 100 Prozent sicher – aber dennoch würde ihn keiner gebrauchen können. Es ist daher wichtig, die Zahl der fruchtbaren Tage im Vergleich zur Sicherheit zu betrachten. Dies haben wir in einer Studie zusammen mit der Stiftung Warentest (Freundl, 2000) getan – denn wir haben die fruchtbaren Tage einmal von Ultraschalluntersuchungen und Hormonspiegel bestimmt und mit den von den Zykluscomputern ausgebenden Tagen und der symptothermalen Methode nach den Regeln der AG NFP verglichen. Eine möglichst niedrige Schwangerschaftsrate bei einer hohen Zahl an unfruchtbaren Tagen wird hierbei besonders gut bewertet. Hierbei schnitt die symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP am besten ab – gefolgt von den Temperaturcomputern, Hormoncomputern. Am schlechtesten schnitten Schleimminimikroskope ab.
Wenn Sie nochmal junger Mediziner wären, welche Frage im Hinblick auf die NFP oder die Zykluscomputer würden Sie gern erforschen?
Mich interessiert besonders, ob es noch andere Körperzeichen als Zervixschleim, Basaltemperatur bzw. Hormone (ähnlich wie z. B. LH) gibt, mit denen man sicher die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage bestimmen kann. Ständig werden neue Hormone im Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit entdeckt. Vielleicht lässt sich künftig ein Zykluscomputer auf Hormonbasis entwickeln – der ähnlich sicher wie die symptothermale Methode nach den Regeln der AG NFP ist. Dies wäre aus meiner Sicht schon ein sehr spannendes Forschungsgebiet.
Sie haben eine große internationale Karriere als Forscher hinter sich, was war aus ihrer Sicht Ihre wichtigste Station?
Ich sehe es nicht so, dass ich eine große wissenschaftliche Karriere hinter mir habe. Das würde voraussetzen, dass ich mich für sehr besonders halte – und das tue ich nicht. Meine wichtigste Station war Afrika direkt nach meinem Studium. Ich war damals etwa für fünf Jahre in Nigeria. Dort habe ich ein Hospital aufgebaut und Hebammen ausgebildet. Ziel war es eine Grundversorgung für die Menschen zu etablieren. Pro Jahr hatten wir etwa 4000 Geburten. In Afrika ist man als Arzt wirklich gefordert – man muss Allrounder sein. Ich habe als ausgebildeter Frauenarzt auch noch gelernt, Zähne zu ziehen und Magen und Prostata zu operieren. Afrika war eine außergewöhnliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Es war allerdings nicht einfach nach meiner Rückkehr aus Afrika, sich in Deutschland wieder in der Forschung zu etablieren. Viele Kollegen halten Ärzte, die im Dschungel waren nicht mehr für die Forschung tauglich. Vielen Freunden und Herrn Professor Dr. L. Beck, damals Chef der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf ist es zu verdanken, dass ich wieder Fuß in der Forschung fassen und mich habilitieren konnte. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.
Was war Ihre größte wissenschaftliche Leistung?
Leistung? Das ist schwierig. Die NFP wurde bis zu Beginn der 90er Jahre von den meisten Ärzten als unsicher und unwissenschaftlich abgetan – in wissenschaftlichen Konferenzen war NFP kein Thema. Erstmals 1994 wurde unsere NFP Forschungsgruppe unter meiner Leitung von dem damaligen Kongresspräsidenten Prof. Hepp, München eingeladen, auf dem Kongress der Deutschen Ges. für Gynäkologie und Geburtshilfe , einen Vortrag über NFP zu halten. Dieser erste wissenschaftliche anerkannte Beitrag auf einer großen Konferenz sehe ich als eine große wissenschaftliche Leistung des Forschungsprojektes NFP an, da dieser Beitrag zeigte, dass NFP von einigen Kollegen endlich wissenschaftlich ernst genommen wird.
[Anmerkung der Redaktion: Einen eingeladenen Vortrag auf einer wissenschaftlichen Konferenz bekommen nur sehr anerkannte Wissenschaftler auf einem Gebiet, wenn sie jahrelang interessante und gute Ergebnisse in hochrangigen Zeitschriften publiziert haben.]
Was war ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler, bis heute?
Mein persönlich schönstes Erlebnis war der internationale NFP Kongress in Hongkong 1982 der durch die International Federation for Family Live Promotion (IFFLP) veranstaltet wurde und zu dem wirvon dem damaligen Vorstandsmitglied Claude Lanctot eingeladen worden waren. Bei diesem Kongress kamen erstmals interessierte Ärzte und Forscher aus aller Welt zusammengekommen, um sich über NFP auszutauschen. Insgesamt hatte der Kongress etwa 1000 Teilnehmer, die hauptsächlich durch die örtlichen Kirchen gewonnen werden konnten. Der Kongress in China war eine unglaublich fruchtbare Erfahrung.
Außerdem waren Sie mal in der TV Show von Jürgen Fliege, um über Natürliche Familienplanung zu sprechen. Kennen Sie Jürgen Fliege persönlich, oder wie kam es zu diesem Beitrag?
Eigentlich war es ein großer Zufall: ein bekannter Zykluscomputerhersteller hat mich damals gefragt, ob ich zusammen mit einer Kollegin Lust hätte, mal in die Talkshow von Jürgen Fliege zu gehen und über Natürliche Familienplanung zu sprechen. Viele Verwandte haben mir abgeraten, aber ich wollte es trotzdem wagen – ich habe zu Jürgen Fliege gesagt: Ich komme, unter der Bedingung, dass ich sagen kann, was ich möchte. Herr Fliege willigte ein und so kam es zu dieser Sendung. Ich war übrigens auch noch bei Bärbel Schäfer und Arabella Kiesbauer.
Wirklich? – Jetzt bin ich ja mal gespannt – was Sie mir zu Bärbel Schäfer berichten können.
Bärbel Schäfer hatte mich damals in eine Sendung rund um das Thema „Sexualverhalten der Frau” als Experte eingeladen. Das Problem bei Bärbel Schäfer war damals, dass sie ihre Gäste immer fertiggemacht hat – indem sie diese nicht ausreden lies. Ich habe zu ihr gesagt: „Ich komme nur unter einer Bedingung – dass sie mich nicht unterbrechen wird. Werde ich unterbrochen, verlasse ich noch während der Sendung ohne Ankündigung das Studio!” Ich war glaube ich der einzige Gast in ihrer Sendung der bisher ausreden konnte und das war auch gut so.
Und wie war es bei der beliebtesten Talkshow der 90er Jahre – Arabella?
Ja, das war sehr lustig. Ich habe vor der Sendung etwa zwei Stunden in der Maske in einem kleinen Raum verbracht und habe mich ständig gefragt, warum so eine dunkelhäutige Frau in meiner Nähe rumstand. Ich habe dann eine Visagistin gefragt, wer denn die dunkelhäutige Frau sei? Die Frau lachte und sagte: „Das ist Arabella Kiesbauer – die Moderatorin der Sendung!” Erst in diesem Moment fiel mir das selber auf :). Die Sendung war sehr interessant – Talkshows können auch Spaß machen.
Sie haben in Ihrer Karriere auch mal den Ex-Papst Joseph Ratzinger und den Vatikan besucht! Was war es für ein Gefühl dem Oberhaupt der katholischen Kirche gegenüber zu treten und den Vatikan zu sehen?
Das ist nicht ganz richtig. Zum damaligen Zeitpunkt war Joseph Aloisius Ratzinger noch nicht Papst, sondern Vorsitzender der Glaubenskongregation. Ich war auch nicht allein dort, sondern meine Kollegen Petra Frank-Herrmann und Siegfried Baur haben mich begleitet. Über Beziehungen kam es damals zu dem Treffen. Es waren etwa 30 Minuten für unser Gespräch vorgesehen. Daraus wurde eine ganze Stunde fruchtbarer Diskussionen. Das war schon eine interessante Erfahrung auch wenn ich mit Herrn Ratzinger nicht immer einer Meinung war.
Später war die Forschungsgruppe NFP zu einem wissenschaftlichen Kongress im Vatikan eingeladen. Ich war mit einer persönlichen Einladung direkt vor Ort. Dort hatte die katholische Kirche eingeladen, um mit Wissenschaftlern aus aller Welt über NFP zu diskutieren. Es war eine tolle Konferenz – die Gebäude und Räume waren zwar mit modernster Technik ausgestattet – aber dennoch unglaublich schön und künstlerisch gestaltet. Das gleiche gilt für den vatikanischen Garten, der Kunst aus allen Zeiten in sich vereint. Es war eine sehr beeindruckende Umgebung, die ich so zuvor auf Konferenzen als Wissenschaftler nicht kannte.
Ihre letzte Publikation {Freundl, 2010 3254 /id} beschäftigt sich mit den Perspektiven der technischen Entwicklung im Hinblick auf die natürliche Familienplanung und Zykluscomputer. Wenn Sie von jetzt an 10 Jahre in die Zukunft blicken, wie werden sich die technischen Hilfsmittel bzw. die Zykluscomputer in der Zukunft verändern?
Das weiß ich nicht. Das muss erst noch erforscht werden. Als Wissenschaftler ist es generell die Aufgabe – die große Menge an Dingen, die wir nicht wissen und verstehen, kleiner werden zu lassen.
Sie sind aktuell immer noch in die NFP Forschungsarbeit der Sektion Natürliche Fertilität eingebunden. Warum macht Ihnen die Arbeit auch in ihrem Alter noch Spaß?
Hauptsächlich ist es meine Neugier etwas Neues zu erfahren und meine Lust, etwas zu bewegen. Es gibt noch so viel, was wir nicht wissen, da möchte ich einfach nichts verpassen. So ist es mir auch 2010 gelungen, eine Publikation {Freundl, 2010 3114 /id} zu NFP in dem Journal der ESCRP unterzubringen. Lange Zeit war diese Gesellschaft nur das Sprachrohr der hormonellen und technischen Kontrazeptiva wie Pille und Spirale Jetzt waren wir mit unserem Hobby NFP auch dort salonfähig geworden! Ich überlasse heute auch viele Dinge gerne der nachfolgenden Generation. Zu einigen Themen möchte ich auf der Grundlage meiner Erfahrung aber noch etwas sagen – auch mal Konträres – und das tue ich bis heute.
Wir kommen zur letzten Frage: Warum lohnt es sich aus ihrer Sicht, sich als Mediziner und Wissenschaftler mit NFP zu beschäftigen?
NFP ist im Gegensatz zu vielen anderen Themen ein Thema des Volkes. Wenn ich auf einer Party oder Veranstaltung eingeladen bin, erlebe ich immer wieder, dass gerade die Frauen neugierig sind. Sie finden es interessant, dass sie keinen Ausfluss, sondern Zervixschleim haben oder dass sie ihre fruchtbaren Tage anhand ihrer Temperaturkurve bestimmen können. Das Thema NFP ist meiner Ansicht nach ein gesellschaftliches Thema, das es verdient hat, wissenschaftlich untersucht zu werden.
Das Interview führte
Marcus Krahlisch
Quellen
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